Reiß Beck GmbH & Co. KG, Kirchzarten
„Wir machen es!“
Die Entscheidung fiel in einem einzigen Gespräch: „Machen wir es oder machen wir es nicht?“ Für die heute 37-jährige Bäckermeisterin und Diplom-Betriebswirtin Michaela Reiß war der Einstieg in den elterlichen Betrieb 2003 und dessen Übernahme fünf Jahre später ein „Heimspiel“. Schließlich wohnte die Familie über der Backstube, und schon von klein auf atmete Michaela Reiß den Duft des Bäckerhandwerks ein. Ehemann Björn dagegen hatte vorher eine kaufmännische Ausbildung und danach ein Studium mit Schwerpunkt Organisation und Personal absolviert. Beruflich war der heute 39-Jährige im Personaldienstleistungsbereich tätig. Außerdem waren beide damals noch nicht einmal Mitte 20 – und dann schon eine solche Verantwortung? Aber die Herausforderung reizte das Paar, und so lautete die Antwort: „Wir machen es!“
Den Respekt erarbeiten
Allerdings: „Ganz einfach war es nicht“, erinnert sich Michaela Reiß, die nach dem Tod des Vaters zusammen mit Ehemann Björn schon kurz nach ihrem Einstieg auch die Leitung des Unternehmens übernommen hatte. „Der Vater hat viele wichtige Informationen im Kopf gehabt, das mussten wir uns möglichst schnell erarbeiten.“ Von den Mitarbeitern wurden sie mit offenen Armen empfangen, waren doch alle froh über die schnelle Regelung der Nachfolge. Dennoch kannten viele Michaela Reiß schon als kleines Mädchen und lernten sie in ihrer Rolle als Chefin jetzt neu kennen. „Man muss sich den Respekt erarbeiten, selbst wenn man wie ich Bäckermeisterin ist“, resümiert sie. Auch Björn Reiß arbeitete sich schnell ein: Er absolvierte bei anderen Bäckereien Praktika, um „das Geschäft“ kennen zu lernen, und konzentrierte sich dann „beim Reiß Beck“ auf die Bereiche Vertrieb und Personal.
Expansion mit Strategie
Wie schon die Eltern, so setzten auch Michaela und Björn Reiß auf Expansion, passten jedoch die Strategie an: „Wir haben jetzt kaum mehr Filialen als bei der Übernahme. Aber wir beschäftigen statt 90 Mitarbeiter nun 220 und haben den Umsatz deutlich erhöht.“ Das Erfolgsgeheimnis: „Heute sind die Filialen im Durchschnitt um einiges größer. Darüber hinaus verkaufen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser durch aktive Beratung.“
Regionale Marke
Dem Ehepaar ist es gelungen, das Familienunternehmen als regionale Marke zu etablieren. „Möglich ist das durch Geschichten, die wir mit unseren Produkten verkaufen.“ Dazu gehört auch das Brot, das Großvater Otto Reiß vor über 80 Jahren zum ersten Mal gebacken hat. „Wir haben das Rezept zwischen Backformen und Mehlsäcken in einem alten Rezeptbuch gefunden“, erzählt Michaela Reiß. Außerdem hat sich „der Reiß Beck“ ganz der handwerklichen Tradition verschrieben: Alles wird ohne Backmischungen selbst gebacken und es werden traditionelle Vorteige und Natursauerteige verwendet. „Eine überdurchschnittliche Qualität muss selbstverständlich sein, unser Fokus und damit die Abgrenzung zu den Marktbegleitern liegen im guten Handwerk.“
Innovative Wege
Beste Qualität ist auch eine Eigenschaft, die der Reiß Beck als handwerklicher Arbeitgeber erfolgreich lebt – dabei aber auf moderne Konzepte setzt und innovative Wege eingeschlagen hat. So gehen Michaela und Björn Reiß mit Teilzeitstellen, Tagschichten und flexiblen Arbeitszeiten auf die individuellen Bedürfnisse der Belegschaft ein. Durch ein eigenes Vorschlagswesen für neue Produkte und Prozesse nutzen sie im hart umkämpften Markt der Brot- und Backwaren nachhaltig das firmeninterne Wissen und die Erfahrung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Vielfältige Vertriebswege
Neben großen Kunden, wie der Uniklinik Freiburg oder dem SC Freiburg, beliefert Reiß Beck Kantinen, Feinkostgeschäfte, Metzgereien und Hotels. Zu den 16 Filialen kommen noch ein Opa-Otto-Brot-Stand auf dem Freiburger Münstermarkt, ein Web-Shop sowie ein Vortagsladen, der Ware vom Vortag zum halben Preis anbietet.
Die Übernahme des elterlichen Betriebs ist also ein voller Erfolg – doch wie hat sich das Leben des Paares verändert? „Wenn man die Verantwortung für ein Unternehmen hat, muss man zurückstecken“, räumt Michaela Reiß ein. Die Bäckerei geht vor – aber auch die zwei Kinder, die unter dem Beruf der Eltern nicht leiden sollen. „Einer von uns beiden ist nachmittags immer zuhause und für unseren Nachwuchs da.“