SchoolCraft GmbH, St. Johann
„Ich bin das schwarze Schaf in der Familie, weil ich als einziger kein Lehrer bin“
„Ich bin eigentlich das schwarze Schaf der Familie“, erklärt Fabian Röken lachend, als er seinen Werdegang beschreibt: Die Mutter und Schwester Lehrerinnen, der Vater Lehrer. Ihn selbst zog es jedoch zur Softwareprogrammierung. Gemeinsam mit anderen Gründern rief er zwei Softwareunternehmen ins Leben. Auch in seiner Freizeit programmierte er: „Umzingelt von Lehrern“ entwickelte er nebenbei digitale Werkzeuge für Lehrkräfte, um diese bei der Erstellung von Lehrmaterialien zu unterstützen.
Die Inspiration kam von seiner Frau, die – natürlich – Lehrerin werden wollte und sich damals im Referendariat befand: „Bei ihr konnte ich live beobachten, wie aufwendig die Vorbereitung des Unterrichts ist.“ Schließlich entstand aus seinem Hobby eine Geschäftsidee. 2012 gründete er die SchoolCraft GmbH in St. Johann bei Reutlingen. Das Angebot war von Anfang an nicht darauf ausgerichtet, fertige Vorlagen für den Unterricht anzubieten. „Vielmehr war und ist es unser Ziel, den Lehrern die effiziente und selbstständige Erstellung von Unterrichtsvorlagen zu ermöglichen.“
Als „Baukasten“ bezeichnet Röken das SchoolCraft-Angebot, das der heute 43-Jährige zusammen mit seinem Team auf einer datensicheren Plattform anbieten kann. Wer im Suchfeld den Begriff „Wasserkreislauf“ eingibt, erhält Vorlagen, die eine schnelle, kreative und individuell angepasste Erstellung von entsprechenden Unterrichtsmaterialien zulassen. Die Lehrenden sind begeistert. Anders als vielleicht angenommen, zeigen die SchoolCraft-Statistiken, dass nicht nur junge Lehrerinnen und Lehrer das Angebot nutzen. „Von den Altersgruppen her gibt es kaum Unterschiede“, erläutert der Gründer. Neben der Möglichkeit, Angebote individuell zusammenzustellen, schätzen viele die Aktualität. „Veränderungen wie die Entwicklung des Brexits pflegen wir so schnell wie möglich ein.“
Die Inspirationen für Themen, die er anbietet, erhalten er und sein mittlerweile 19-köpfiges Team von den Lehrkräften selbst, die entweder unaufgefordert ihre Expertise einbringen oder bei Umfragen mitmachen. Dabei konnte er lernen, hinter den geäußerten Wünschen seiner Kundschaft den wirklichen Bedarf zu erkennen. „So bieten wir die Möglichkeit, eigene attraktiv gestaltete Aufgabenhefte zum Selbstausdruck zu erstellen“, gibt der Gründer ein Beispiel. Den Wunsch dazu hatte zwar niemand geäußert. „Vermutlich, weil sich niemand vorstellen konnte, dass das möglich ist.“
SchoolCraft startete einen Versuch und bot Selbstausdrucke „ungefragt“ an – und erzielt damit heute enorme Erfolge. Auch andere Features, wie die Darstellung von Inhalten auf Tablets oder die Möglichkeit, eigene mündliche Erläuterungen zur Weitergabe an die Schülerinnen und Schüler aufzunehmen, kommen gut an. „Für die Zukunft haben wir den Einsatz von VR-Brillen im Unterricht im Auge“, ist die Vision von Röken. Zudem überlegt er, wie sich Pädagogen bei der Einschätzung der Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern unterstützten lassen. „Damit die Kinder und Jugendlichen bei ihrer individuellen Leistungsfähigkeit abgeholt und optimal gefördert werden können.“
So wie Röken neue Möglichkeiten zur Erstellung von Unterrichtsmaterialen aufzeigt, ging er auch bei der Entwicklung seines Unternehmens von Anfang an neue Wege. „Wir hatten noch nie ein Büro.“ Vielmehr war der Vater von drei Kindern schon viele Jahre vor der Corona-Pandemie von den Vorteilen des Homeoffice überzeugt. „Das bringt eine deutlich bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit sich.“ Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten alle von zu Hause aus. Dieses dezentrale Prinzip entspringt nicht zuletzt dem Bedürfnis des Gründers, seine Arbeitszeit nicht mit Managementaufgaben zu verbringen: „Ich brauche einfach meine Zeit für meine Programmier-Spielwiesen.“
So haben alle im Team grundsätzlich die Möglichkeit, unternehmensweit eigenverantwortlich und autonom Entscheidungen zu treffen. „Es gibt lediglich die Vorgabe, dass man sich mit denen, die im Unternehmen davon betroffen sind, sowie jenen, die über das Thema gut Bescheid wissen, zu beraten hat.“ Dadurch, so Röken, ist die tägliche Arbeit gleichzeitig durch unternehmerisches Denken wie auch durch eine hohe Motivation geprägt. Selbst Neueinstellungen werden vom Team initiiert und durchgeführt. „Das Schlüsselwort hierzu ist Vertrauen in die Beschäftigten, aber auch das Vertrauen in das Prinzip der Selbstorganisation.“ Dies alles schließt Konflikte nicht aus und soll es auch nicht. „Aber wir reden darüber. Und es ist unglaublich, was man alles durchs Reden bewegen kann.“ Damit das Unternehmen auch als Ganzes Ziele verfolgen kann, gibt es Fokusgruppen. Diese treffen sich in wechselnder Besetzung vierteljährlich und vereinbaren bereichsübergreifende Ziele, beispielsweise „Lücken im Angebot finden und schließen“.
Da der Unternehmenserfolg der Erfolg des ganzen Teams ist, sind konsequenterweise alle Beschäftigten mit zehn Prozent am Gewinn beteiligt. Allerdings begreifen sich alle als Teil eines Sozialunternehmens, dessen Hauptaufgabe nicht darin besteht, Gewinne und Umsätze zu maximieren. Vielmehr geht es darum, Nützliches zu generieren und Lehrende bei ihrer Arbeit zu unterstützen. So wollen sie mithelfen, den Unterricht besser zu gestalten. „Erstaunlicherweise verzeichnen wir dennoch seit Jahren ein starkes Umsatzwachstum“, so Röken. „Oder gerade deshalb?“